Mittwoch, 25. Juni 2014

Ein Résumé

English/French (short version) below.

Zwei Wochen bin ich nun zurück in Deutschland, endlich dort angekommen, wo WLAN auf ein wenig Ruhe trifft (Mamas Couch) und finde, es ist an der Zeit, mal zu reflektieren (sonst so gar nicht meine Art, huch?!)
Was habe ich denn nun eigentlich gelernt, aus diesem Jahr?
„Viel.“, Ist mein erster Gedanke.
Hätte ich gar nicht gedacht.
Der einstige Plan war eigentlich: einmal für ein Jahr am Strand leben. Surfen lernen und hauptsächlich das Leben genießen. Nebenbei vielleicht noch mein Französisch verbessern.
Von Selbstfindungsphase war ich Meilen entfernt, hatte sie hinter mir gelassen, genauer gesagt. Ich fand, ich kannte mich eigentlich schon ganz gut. Fand mich auch recht sympathisch mit all den Macken und konnte auch gelegentlich verschämt über mich selbst grinsen.
Alles tutti sozusagen.
Tja der Strand blieb ein Traum, das Surfen ist immernoch eher Hobby- als Wettkampfsniveau und gefunden hab ich mich auch nicht unbedingt mehr als früher. Aber wiederentdeckt habe ich. Eigenschaften, von denen ich schon längst vergessen hatte, dass ich sie besitze. Die alte, durch die Tatenlosigkeit nach der Schule und die etwas wenigere Tatenlosigkeit während des Philosophiestudiums abhanden gekommene Tatkraft ist z.B. wieder in vollen Zügen da.
Check-check-Leo's back?
Naja fast. Reflektierter, realistischer. Mir ist inzwischen klar, dass ich vermutlich nicht im Alleingang die ganze Welt retten und danach ein Buch darüber schreiben werde. Aber mir ist auch klar, das viel mehr möglich ist, als man so denkt.
Reisen ohne Geld? Klar geht das! Praktikum ohne die Rahmenbedingungen zu erfüllen? Aber sicher! Welt zumindest ein bisschen besser machen? Auf jeden Fall!
Ich las neulich in einer zauberhaften Studentenzeitschrift einen Artikel über Erasmus und auch hier wurde der auf wundersame Weise sich entwickelnde Tatendrang angeprisen, der einen Erasmüsler irgendwann zwischen Feierei und Ernst-des-Lebens einholt.
Ach ja.
Was diese geistige Weiterentwicklung (mit der ich nach eigener Wohnung in einer fremden Stadt, Philosophiestudium, finanzieller Teil-Unabhängigkeit und Co. nun wirklich nicht gerechnet hätte) so ausgelöst hat? Schwer zu sagen. Meine Wäsche musste ich auch vorher schon allein waschen aber da stimmte zumindest die Sprache mit dem der Waschanleitung überein. Gereist bin ich auch vorher eigenständig. Aber irgendwie scheint es eben doch anders, wirklich in der Fremde (und ich meine eben nicht Hamburg-Berlin) zu leben. Außerdem sind es denke ich vor allem die Leute, die man so trifft. Schon Tucholsky sagte einst: "Freundschaft – das ist wie Heimat." und die liebe Isa schloß sich sogleich an und bemerkte ebenfalls: „Is' doch absolut egal, wo man ist, sobald die Leute stimmen, stimmt der Ort und wird zum Zuhaus.“
wie wahr.
Was hätte ich gemacht, ohne diese Erasmüsler?
Ich verwies ja schon darauf in dem sehr früh erschienenen Beitrag „With a little help from my friends“. Aber es ist noch so viel mehr als nur gemeinsam den Alltag und die Unibürokratie bezwingen. Es sind eben alles Vöglein, die aus den Nestern geflogen sind. Viele schon mehrfach. Und sie haben alle tolle Pläne, tolle Ideen, machen tolle Sachen und inspirieren (m)dich. Klingt mega kitschig. Ist es auch. Aber eben auch wahr.
Diese Erasmüsler werden mir ganz schön fehlen, denn leider bin ich aus dem naiven Alter des „wir schreiben uns einfach jeeeeeede Woche“ raus... Zu einigen wird der Kontakt halten, da bin ich sicher, zu anderen nicht und das ist in Ordnung. Bei einigen wird es mir sehr leid tun, dass der Kontakt abbricht und bei wieder anderen werde ich ein schlechtes Gewissen haben.
Aber so ist das nun mal, das Jahr ist vorbei und wir gehen alle wieder in unsere Richtungen.
Meine ist inzwischen zwar nicht völlig anders aber sehr viel klarer als vorher.
Noch was hab ich gelernt: viele viele Dinge über uns Deutsche. Nämlich zum Beispiel: dass wir wirklich ziemlich organisiert und pünktlich sind. Gut. Ich halt nicht so. Aber der Deutsche so im Allgemeinen. Und ich find das richtig gut! Da kann man sich richtig drauf verlassen!
Außerdem haben wir ziemlich unnötig lange Wörter wie „Fußbodenschleifmaschinenverleih“ oder „Bahnsteiggleisverschluss“ (was auch immer das sein soll). Das finden alle anderen Nationalitäten auch urkomisch. Dafür finden wir Deutschen es urkomisch, dass so viele Leute in der Uni mitschreiben. Und ich meine jetzt keine Notizen. Ich meine J E D E S W O R T. Sogar Anekdoten von Dozenten. Könnte ja in der Klausur drankommen. Und steht ja auch nicht alles nochmal wortwörtlich auf der Powerpointpräsi, die jede Woche rumgeschickt wird. Diskutieren ist dafür rar gesät. Kein Wunder, dass der Franzose sich im Englischen so schwer tut. Ich mag das deutsche Unisystem. Mag auch a Philosophiestudium liegen aber es ist so wunderbar viel freier.
Meine liebe Untermieterin machte mich auf einen weiteren Unterschied aufmerksam: „Französische Männer sind leicht zu kriegen aber schwer zu halten. Deutsche Männer hingegen sind sauschwer zu kriegen aber hast du sie, hast du sie für immer. Und sie sind so schön. On est d'accooooord?!“ Naja man mag darüber streiten aber so ganz falsch liegt sie nicht. Gerade der Berliner ist sehr viel ungesprächiger am Anfang, hat man den aber mal gemeistert, verliebt er sich gerne mal unsterblich. Außerdem sind Franzosen so viel netter. Isst du einen stinkenden Döner (für 7,50€, ich MUSS das nochmal erwähnen...) im vollen Bus, kommt von allen Seiten ein „Bon appetit!“ statt ein „Boah, Mädel, das is doch nicht dein Ernst! Ob du behindert bist, hab ich gefragt?!“ Tja. Komischerweise bin ich auch hier ganz die Deutsche (geblieben). Ich steh halt auf Berliner Schnauze und es macht vieles eben auch wesentlich einfacher, wenn man auch mal unbequeme Wahrheiten ausspricht, ohne dabei zu lächeln.
Eins fand ich wirklich interessant: der Umgang mit dem Nationalsozialismus. Während die meisten Nationen inzwischen witzige und auch so gar-nicht-witzige Witze darüber reißen, sind wir Deutschen immer noch unglaublich zurückhaltend bei diesem Thema. Manche reagieren richtig gereizt und verschämt, während andere gleich nach Ausflüchten suchen, obwohl sie niemand beschuldigt hat. Die Analyse dessen ist mir an dieser Stelle zu viel aber es war wirklich interessant zu sehen, wie unterschiedlich Nationen mit diesem Thema umgehen.
Ich könnte noch ewig weitermachen aber zugegeben, wir haben alle nicht mehr so Lust. Ihr zu lesen und ich zu tippen. Schließlich scheint die Sonne und ich sollte auch viel mehr Kiswahili für Tansania pauken.
Als letztes bleibt nur ein Dank („asante sana“, ich habe inzwischen gepaukt) an alle, die das letzte Jahr zu dem machten, was es war („il est vraimeeeeent.. il est vraimeeeeeent... il est vraiment phénoménal dedederää“) ein letzter Schulterblick auf das, was ich verlasse (immerhin einige wunderbare Menschen und eine tolle Stadt) und ein seufzend-freudiger Nach-Vorne-Blick, auf das, was nun kommt: ein neues Abenteuer mit Straßenkindern in Afrika und (glücklicherweise) tansanischem Frieden statt kenianisch-somalischen Bomben und danach mit etwas Glück das erste offizielle Praktikum im Journalismus (Daumen drücken bitte!), die Bachelorarbeit, meine so wunderbar-Zuhause-seiende Wohnung und hoffentlich dann auch irgendwann der Master, der dann auch wirklich zum Leönchen passt.
In diesem Sinne: auf bald ihr Rabauken, ein letztes Mal „santé“ und dann wird der Kilimanjaro bestiegen.

Merci les gens pour une année superbien! Sans vous, il n'aurait pas été la même et j'ai eu beaucoup d'inspiration et la puissance de chacun ainsi que j'ai appris beaucoup de choses sur l'Allemagne et moi-même! Merci à tous, restent que vous êtes et gros bisous!


Thank you folks for a wonderful year! Without you it wouldn't have been the same and I got a lot of inspiration and power from everyone as well as I learned a lot about Germany and myself! Thanks to everyone, remain as you are and big kisses!